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Warum wir Philosophie mehr denn je brauchen?

  • Saif Al Basri
  • 16. Jan. 2017
  • 2 Min. Lesezeit

Auch wenn ich die Vorstellung des freien Willens allzu verlockend finde, halte ich mich davon fern, an diese zu glauben; auch macht es mir die Wissenschaft nicht leichter. Trotzdem verstehen wir uns als Menschen, die "frei" und verantwortlich agieren. Schon mal daran gezweifelt, dass Sie es nicht tun? Dass Sie nicht immer frei und verantwortlich handeln? Dass Sie eigentlich oft erst handeln und dann nachdenken? Wissenschaftler und Verhaltenspsychologen sind davon überzeugt, dass wir alles andere als 24h*7d-rationale Wesen sind; und sie haben auch Recht. Abgesehen von der objektiven Erkenntnis der heutigen Verhaltens- und Kognitionswissenschaften, halten sich die meisten für a) gut, b) frei und c) verantwortlich agierend. Das ist dahingehend wichtig, da wir einander unsere Handlungen moralisch zuschreiben und letztlich in reziproker Anerkennung unsere Würde aufrechterhalten wollen. Wir verarbeiten nicht alle Sachverhalte, denn obwohl wir vieles vermuten, nehmen wir den größten Teil als sicheres Wissen an. Das kann in dem Moment sinnvoll sein, wenn ich mit dem Auto fahre. Warum sollte ich die Funktion des Motors in Frage stellen, während ich mit 130 km/h auf der Autobahn fahre, oder gar meine Fähigkeit "richtig" und verkehrsgerecht zu fahren anzweifeln? Schließlich sind wir auf ein Grundmaß existenzieller Sicherheit angewiesen, was einhergeht mit der Notwendigkeit, eine vermeintlich verlässliche Weltordnung zu pflegen und auch zu suchen. (Natur-)Gesetze, Verhaltensmuster und Erfahrungen sind die Orientierungspunkte, die uns helfen, Neues zu erlernen und unsere Mündigkeit zum zukünftigen "rationalen" Planen verschärfen bzw. überhaupt ermöglichen. Wir sind allerdings auch intelligente Wesen, die sowohl zur Selbstdistanz, als auch zum kritischen Hinterfragen ihrer eigenen Wahrheitsansprüche fähig sind. D.h., sobald wir realisieren, welche dieser Wahrheiten für uns wichtig sind, und wir sie zum Thema rationalen Nachdenkens machen, drängen sich Zweifel auf. Geben wir den Zweifeln nach, versetzen wir uns in die Perspektive des Skeptikers. Der Skeptiker ist sowohl aus eigenem Interesse, als auch aus kollektiven Motiven darum bemüht, sein soziales Umfeld auf Probleme aufmerksam zu machen, die unser Selbstverständnis als "wissende" Menschen in Frage stellen. Und genau das ist eine der Hauptaufgaben der Philosophen. Auch wenn einige Möchtegernphilosophen, die ich in der Uni treffe, oft das Gesicht verziehen, wenn ich seinen Namen erwähne, erfüllt Richard David Precht die Rolle des sozialen Kritikers und Vermittlers. Er spricht soziale Probleme an, bemüht sich neutral und wissenschaftstreu zu bleiben und trägt zu Diskussionen bei - ob im Fernsehen, in seinen Büchern oder in seinen Vorträgen.

Das ist u.a. genau das, was sich uralte Philosophen unter diesem Beruf vorgestellt haben. Nicht das hochgestochene habermas'sche Schreiben, so dass man sie kaum versteht [auch wenn ich seine sprachliche Fähigkeit bewundere], sondern nach der Tugendhaftigkeit im Menschen suchen; uns an das Wesentliche erinnern, vor allem in einer Welt, in der wir kaum noch innere Ruhe finden und oft eher "automatisiert" handeln, bevor wir reflektieren.

Aus diesem Grund brauchen wir Philosophie als Schule des kritischen Hinterfragens und des Weiterdenkens, wir brauchen Menschen, die sich bemühen, uns auf unsere Irrationalität, aber auch auf das Mögliche, aufmerksam zu machen, und unseren Kollektivsinn zu sensibilisieren... mehr denn je. Hier ein empfehlenswerter Vortag von Richard David Precht:

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